Iquitos, schillerndes Relikt des Kautschukbooms, ist ein skurriles Fleckchen Erde und die größte Stadt der Welt (ca. 500 000 Einwohner), welche nicht auf der Straße erreichbar ist. Vergammelnde Jugendstilhäuser rund um die Plaza de Armas bieten ein Bild archaischer, unmoderner Schönheit. Die Casa de Hierro, (das „Haus aus Stahl“), von den Werkstätten Gustave Eiffels in Frankreich hergestellt, zerlegt per Schiff über Atlantik und Amazonas transportiert und in Iquitos wieder zusammengesetzt rostet als Monument europäischer Ingenieurskunst nur wenige Schritte von der Plaza würdevoll vor sich hin.
Das wahre Leben der Stadt entfaltet sich abends an der Uferpromenade. Hier ist man, um zu sehen und um gesehen zu werden. Unter die einheimischen Flaneure mischen sich ausländische Hippies, einheimischen Liebespaare, Bauchladenverkäufer, abtrünnige Passagiere der wenigen Kreuzfahrtschiffe welche den Weg hierher nicht scheuen. Auch fotogene Amazonen waren (endlich!) zu sehen. In Bastrock und Bikini waren diese friedfertigen Nachfahren der kämpferischen Indianerinnen statt mit Pfeil und Bogen bewaffnet mit Ketten aus Pirhana-Zähnen, Kopfschmuck aus Ara-Federn und einer jugendlichen Boa Constrictor, bestens geeignet sie zahlungswilligen Touristen für ein Foto um den Hals zu hängen. Nur von Fitzcarraldo, alias Kinski, nicht die geringste Spur. Aber bei fächelnder Brise vom Fluss und eiskaltem Cuzquena-Bier lässt es sich gut aushalten!
Einige Meter tiefer, direkt am und im Fluss stehen die Häuser des amphibischen Armenviertels Belén (Bethlehem), dem Stadtviertel mit der höchsten Siedlungsdichte. Ca. 30 000 der Ärmsten leben und überleben hier im, den Großteil des Jahres überschwemmten, Teil der Stadt. Viele von ihnen sind auf der Suche nach einem besseren Leben aus den Wälder in dieses Venedig für Arme gezogen. Das Leben im „Venedig“ von Iquitos verläuft auf und mit dem Wasser. Boote kreuzen auf den überfluteten, aber gut beleuchteten, „Straßen“ unter Wäscheleinen mit trocknender Wäsche. Das Leben spielt sich auf und mit dem Wasser ab: Hier hängt das Plumpsklo über dem Wasser, dort wird gespült, gewaschen und Zähne geputzt. Das Leben geht seinen trägen Gang – Hygiene oder nicht. Bunt und chaotisch, pittoresk und – wenn man die Armut ignoriert – romantisch. Für Fotografen ist Belén, je nach Veranlagung, Himmel oder Hölle: Motiv anvisieren und auslösen oder „Dauerfeuer“, – man kann eigentlich nichts falsch machen!